15.05.2017

Die Umverteiler klären auf: OWUS stellt Sozialcharta für Solo-Selbständige und Kleinunternehmer vor

Mit Besorgnis sehen wir als UnternehmerInnen die zunehmende Gefahr der sozialen Desintegration und Altersarmut auch unter vielen selbständig Erwerbstätigen in Deutschland. Die Arbeitsmarktreformen haben in den letzten Jahren u.a. zu einem starken Anstieg von Solo-Selbständigen, geführt, die häufig als ehemalige Arbeitnehmer in eine wie immer auch geartete Selbständigkeit gegangen sind. Diese Entwicklung wird vor allem von größeren Unternehmen forciert und ausgenutzt, um durch Outsourcing Leistungen auszulagern und bei entsprechendem Bedarf diese als Werkleistungen von selbständigen SubunternehmerInnen einzukaufen.

Von: Dr. Rolf Sukowski
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In zahlreichen Studien wurde der Nachweis erbracht, dass in Deutschland die so genannte Mittelschicht in Auflösung begriffen ist. Dazu gehören neben nichtselbständig Beschäftigten zunehmend auch Menschen mit einer hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit. Unternehmer zu sein bedeutet nicht per se reich zu sein, sondern für viele Solo-Selbständige und KleinunternehmerInnen ein hohes Maß an Selbstausbeutung. Auch die technologische Entwicklung der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass kleine und kleinste Betriebsgrößen möglich sind und die Wertschöpfung räumlich und zeitlich ungebundener wird.

Auf Grund dieser Veränderungen in der Arbeitswelt bedürfen auch Solo-Selbständige und andere KleinunternehmerInnen eines besonderen Schutzes der Gesellschaft. Umverteilen heißt für uns auch, eine gerechte Verteilung von Chancen und Risiken zwischen großen und kleinen Betrieben, zwischen Auftraggebenden und Auftragnehmenden einzufordern.

Aufruf zum Dialog

Unser Motto lautet seit der Gründung 1994: „Aus wirtschaftlicher Vernunft und sozialer Verantwortung“. Diesem Motto stellen wir uns täglich in unseren Mitgliedsunternehmen. Mit einem im April 2016 gefassten Beschluss, der „Sozialcharta für Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer“, fordert der OWUS-Dachverband die Politik insbesondere die im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien, zum umfassenden Dialog mit den betroffenen Gewerbetreibenden und freiberuflich Tätigen sowie ihren Interessenverbänden auf. Unser Aufruf richtet sich auch an die Branchen- und Berufsverbände sowie die Gewerkschaften, die Interessenvertretung für Solo-Selbständige zu einem unverzichtbaren Bestandteil ihrer Arbeit zu machen. Auch die Solo-Selbständigen und KleinunternehmerInnen sind gesetzlich verpflichtet, in Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern bzw. den Kammern der Freien Berufe Mitglied zu sein. Wir erwarten deshalb, dass sich die Kammern verstärkt auch um die Interessen dieser ihnen vom Gesetzgeber zugewiesenen Mitglieder kümmern.

Bessere soziale Absicherung und stärkere Rechte auch für Solo-Selbständige und Kleinunternehmer

Unser Unternehmerverband hat sich bereits 2006 für einen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen. Dies ist seitdem die unveränderte Beschlusslage und wird es auch bleiben – so sehen wir die in unserem Gründungsmotto verankerte soziale Verantwortung. Aus wirtschaftlicher Vernunft sagen wir aber auch, dass es flankierende Maßnahmen für kleine Unternehmen geben muss, um einen notwendigen deutlich höheren Mindestlohn betriebswirtschaftlich umsetzen zu können.

  • Das im § 4 des Sozialgesetzbuches I formulierte „Recht auf Zugang zur Sozialversicherung“ fordern wir auch für selbständig Erwerbstätige ein – und zwar zu den gleichen Bedingungen wie für nichtselbständig Beschäftigte. Dazu gehört auch der gesetzliche Mutterschutz. Der in einer als flexibel bezeichneten Arbeitswelt als notwendig angesehene häufige Wechsel zwischen nichtselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit wird durch das gegenwärtige System der Sozialversicherung nicht mehr ausreichend abgebildet.
  • Eine Möglichkeit, die Einnahmesituation von Solo-Selbständigen und Kleinunter-nehmerInnen in ausgewählten Branchen zu verbessern, ist die Einführung von gesetzlichen Mindesthonoraren. Dies betrifft insbesondere solche Branchen, in denen auch nichtselbständig Beschäftigte gleichartige Tätigkeiten ausüben, z.B. den Hochschul- und Bildungsbereich, aber auch Kunst und Kultur sowie den Medienbereich. Dort geltende Tarifgehälter können unter Einbeziehung der Sozialabgaben und eines Zuschlags für Urlaub, Krankheit usw., sowie – bei Beachtung EU-rechtlicher Vorgaben – Grundlage für einen Mindeststunden- bzw. -tagessatz sein. Die Einführung von Mindesthonoraren erfordert jedoch zwangsläufig eine bessere Finanzausstattung der entsprechenden Einrichtungen und der Kommunen.

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